Nordwest Rajasthan 2.4. - 11.4.2024

Forts und Schnurrbärte

Jodphur wird auch die Blue City genannt, das eigentliche Wahrzeichen thront rötlich auf einem mächtigen Felsblock, das Meherangarh Fort. Von dort oben kann man erkennen, dass Jodhpur seinen Namen verdient: viele Häuserwände sind blau angemalt, sei es, dass die Farbe Moskitos oder Termiten vertreibt, die Häuser kühl hält oder einfach reichlich Reste aus der Indigofärberei vorhanden waren. In einigen Gassen sind die blauen Wände zusätzlich mit fotogenen Bildern verziert.

Am Abend unserer Ankunft sammelten sich viele rotgekleidete Frauen in der Nähe des Clocktowers und tanzten ausgelassen zu Trommelklängen. Das hatte wohl schon mit dem Gangaur Festival zu tun, dessen Höhepunkt wir dann an unserem letzten Tag in Bikaner miterleben durften.

Mit dem bisher lausigsten Bus sind wir dann durch die immer trockenere und sandigere Landschaft gefahren und in der mit 65.000 Einwohnern eher kleinen Stadt Jaisalmer (ausgesprochen Dschässälmehr) angekommen, wo das Goldene Fort aus gelbem Sandstein auf einem Hügel thront. Die Hitze hier zwingt einen wie die Einheimischen zwischen 13 und 17 Uhr eigentlich nix zu tun. Wir sprangen zur Abkühlung sogar in den eher trüben Pool unseres Hotels. Im gesamten Nordwesten war es so heiß und trocken, dass wir häufig auf der Suche nach was zu Trinken waren z.B. einem frisch gespressten (Zuckerrohr-) Saft, am besten nach und nach runterverdünnt mit einer Flasche Sodawasser, worüber die Inder den Kopf schütteln. Das Bier am Abend zur Abkühlung genossen wir meist als Radler.


Hier buchten wir eine Mini-Kamelsafari…biologisch gesehen sind es Dromedare! Nach vier Uhr am Nachmittag fuhren wir auf der mehr oder weniger offenen Pritsche eine kleinen Jeeps in die Thar Wüste raus. In der Nähe von Sam trafen wir unseren Kameltreiber, laut eigener Aussage Analphabet, spricht aber bestes Englisch und verfügt über einen fantastischen Humor. Sein Schnurrbart ist für die Gesichtshaarmode in Rajasthan eher klein. In der Nachsaison hatten wir die Sanddüne für den Sonnenunter- und -aufgang fast für uns, in der Ferne hörten und sahen wir Motorgleitschirme. Wir hatten auf ein Zelt verzichtet, schliefen unter dem Sternenhimmel, mussten bei Windstille allerdings nach den surrenden Moskitos hauen. 


Mit dem Zug fuhren wir am übernächsten Tag in der Sleeperklasse tagsüber 6 Stunden nach Bikaner, ab dem ersten Halt nach etwa einer Stunde stiegen immer mehr paketbeladene Familien zu und alle saßen dichtgedrängt auf den Liegebänken, z.T. auch auf den oberen, wo es deutlich wärmer ist.

In Bikaner angekommen, konnten wir mit unseren Preisvorstellungen keinen Tuktukfahrer finden, der uns die etwa 4,5km zu unserem Haveli Hotel in der Altstadt gefahren hätte. Wir liefen los und wurden erst fast einen Kilometer weiter fündig…leider fand aber eine Hindu-Rally statt, weswegen in der Old City Straßenblockaden in den Gassen aufgestellt waren. Leider hatte der Fahrer auch KEINE Ahnung, wo sich unser Hotel Tanisha Heritage Haveli befand. Schließlich fuhr er mindestens 10km mit der Kirche ums Dorf und hätte für diesen Alptraum gerne mehr als den doppelten Preis verlangt. Unser Wirt, der zwischendurch mit ihm telefoniert hatte, schickte ihn schimpfend weg.

Das Schöne an diesem Guesthaus war, dass alle Gäste fürs Essen gemeinsam um einen Tisch herum auf der Dachterasse sitzen und man so ins Gespräch kommt. Wir tauschten bis spät in die Nacht (naja) Reise - und Lebenserfahrungen aus.




Nach Bikaner scheinen sich so spät in der Saison nur vereinzelte Touristen zu verirren, vieles wirkte deshalb recht authentisch. Die Suche nach einem gemütlichen Non-Veg Restaurant, also eines, das auch Fleischgerichte serviert, endete in einer von den nur mit Schwarzlicht beleuchteten Keller-Bars (wie wir sie von der Ostküste in Indien kennen). Nach einem Bier mit Snack kehrten wir in das rein vegetarische Restaurant zurück, die uns davor verständnislos gefragt hatten, warum wir es nach einem Blick auf die Speisekarte verlassen hatten.


Am letzten Tag hatten wir einen Nachtbus gebucht und zogen am späten Vormittag zu zwei Tempeln los. Im Jain Tempel war der ältere Tempelwärter mit hennarot gefärbten Haaren glücklich, uns ein wenig in holperndem Englisch erzählen zu dürfen, nachdem er gesehen hatte, dass wir tatsächlich unsere Hände wuschen, nachdem wir sie beim Schuheausziehen verunreinigt hatten. In der Nähe zogen wieder rotgekleidete Frauengrüppchen mit Trommelbegleitung durch einen “Park” und waren glücklich, dass ich eine kleine Tanzeinlage mit ihnen wagte. Auf dem Rückweg war ein Sträßchen gesperrt, wo Frauen mit Tabletts anstanden. Thomas durfte nicht rein, ich wurde aufgefordert, mir das Gangaur Ritual mitanzusehen. Im Innenhof standen zwei Gangaurstatuen, denen die Frauen jeweils etwas von ihren mitgebrachten Speisen an den Mund führten und anschließend den roten Bini auf die Stirn malten. Auch ich bekam zwei gesegnete Kugeln Süßes. Eine Dame machte uns auf eine weitere jahrhundertealte Tradition in einem nahegelegenen Chowk (Innenhof) aufmerksam. Auch dort wurden wir (beide) eingeladen, uns die Zeremonie anzuschauen. Wir fühlten uns sehr geehrt.

PS: In der Jain Religion vermeidet man ein schlechtes Karma, indem man sich der strikten Gewaltlosigkeit (ahimsa) widmet. Dazu gehört auch eine streng vegetarische Ernährung, bei der sogar auf Wurzelgemüse verzichtet wird, da man bei der Ernte die Pflanze töten würde. Alles weitere dürft ihr euch selbst ergoogeln 😜.