Mumbai 15. - 19.3.2024

Ja, wo ist denn das glamoröse Bollywood-Bombay?

Worauf gründeten meine/unsere Erwartungen an Mumbai, eine 22 Mio Einwohner Stadt? Da waren einerseits die modernen, eher reich wirkenden “Mumbaikars”, die wir v.a. in Goa getroffen hatten.  Dann die farbenfrohen Musikvideos mit tänzerreichen, wirbelnden Choreografien, die gerne im Hintergrund in Bars und Restaurants über den Bildschirm flimmerten. Und dann natürlich die Bilder aus dem Film “Slum Dog Millionär”. 

Thomas findet diesen Bericht viiiiel zu politisch, also lest bitte einfach über diese Sätze hinweg, wenn's euch genauso geht.

In der Realität fuhr uns der Flughafen Expressbus nach unserem ersten indischen Frühstück seit Langem über relativ verkehrsarme sog. Flyovers, also Hochstraßen durch ein endlos wirkendes Häusermeer aus v.a. 4-5 stöckigen heruntergekommen wirkenden Wohnblocks mit Gittern vor jedem Fenster. Zwischendrin mit zerrissenen Planen verhangene Ruinen und vereinzelte Hochhausbaustellen. Nach etwa einer Stunde Fahrt stiegen wir am einem Wahrzeichen Mumbais, dem imposanten viktorianischen Bahnhofsgebäude inzwischen Chhatrapati Shivaji Maharaj Terminus (CSMT) genannt aus und liefen zu unserem Hotel Residency.  


Nach einem kurzen Schläfchen, um die durch den Nachtflug mit Umsteigen in Chennai verlorenen Nachtruhe wieder einzuholen, zogen wir zu DEM Wahrzeichen Mumbais los, dem Gateway of India, gleich nebendran steht das Taj Mahal Palace Hotel. Sowohl der Bahnhof als auch das Hotel erlangten traurige Berühmtheit beim Mumbai Massaker 2008, bei dem pakistanische Islamisten gleichzeitig an verschiedenen belebten Orten wild herumschossen. Heutzutage stehen am Triumphbogen viele halbprofesionelle Fotografen und bieten für 1$ an, ein nettes Bild zu schießen. Danach wanderten wir noch durch das Colaba Viertel, konnten den Hype darüber nicht nachvollziehen. Ok, da waren arabisch wirkende edle Schmuck- und Seidenläden in einer Straße. In der einen oder anderen schmalen Gasse, durch die sich die in Mumbai nicht seltenen fetten Daimler und Audis zwängten, fanden sich Boutiken oder Edelrestaurants, aber für uns kein Flair eines ganzen Viertels.


Bestens ausgeschlafen und gut gesättigt durch das Frühstück in unserem eher feudalen Hotel mit Marmorböden, Plüschsesseln und persönlich serviertem Cappuccino, brachen wir zu einer selbst organisierten Tour durch Central Mumbai auf. Dafür nutzten wir öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und Uber, was erstaunlich problemlos funktionierte. Das könnte daran gelegen haben, dass es kein Werktag-Samstag war. Jeden zweiten und vierten Samstag im Monat müssen Staatsbedienstete nicht arbeiten, deshalb war es relativ ruhig auf den Straßen und in den Öffis. So klapperten wir  u.A. Schreine, Tempel und den öffentlichen Waschplatz, Dhobi Ghat, ab. Gleich daneben war auf dem Rennplatz die Bühne für das Ed Sheeran Konzert aufgebaut worden. Von den Hanging Gardens kann man auf den Chowpatty Beach schaun, an dem man allerdings besser nicht badet.  Während in der Stadt die Metro heftig ausgebaut wird (tatsächlich schlimmer als Stuttgart21), schien auch der berühmte Marine Drive eine einzige Baustelle für den Coastal Highway, man hätte die Promenade aber wohl immer noch runterlaufen können.


Für den folgenden Tag buchten wir eine Dharavi Slum Tour. Keine Angst, wir wollten uns nicht am Elend anderer Leute ergötzen. Dharavi ist inzwischen ein Stadtviertel, in dem z.B. Backwaren und Ledergegenstände hergestellt werden oder Töpfereien ihr Tongut brennen. Die einzelnen Ethnien haben sich hier hier gruppiert und wohnen doch sehr beengt in Behausungen, die immerhin Wände und Stromversorgung haben. Z.T. wird hier die Wasserversorgung morgens für drei Stunden eingeschaltet. Donnerbalken/Jungle Toilet wie im Film gibt es hier nicht mehr, die Menschen verrichten ihr Notdurft in Räumen direkt am Kanal (hanging toilets) oder besuchen eine öffentliche Toilette. Die Regierung baut momenan Hochhäuser in Dharavi, wo die Familien dann in 30m² Sozial-Wohnungen in den unteren Stockwerken untergebracht werden (evtl. aber auch zwangsumgesiedelt), die oberen Stockwerke werden lukrativ vermietet. Unser Guide erzählte uns auch von den Schießereien der Gangs Anfang der 90iger im damaligen Bombay (wohl von den Portugiesen gepägter Name der Stadt auf den sieben Inseln: “bom bahia” - schöne Bucht). Uns wurde dazu schon in Sri Lanka das Buch Shantaram eines australischen Autors empfohen, wartet auf dem Kindle darauf gelesen zu werden. In diesem Zusammenhang fand ich dann auf Wikipedia auch den Artikel über die “Bombay riots”, bei denen es um die Jahreswende 92/93 zu blutigen Aufständen der Muslime kam, nachdem in Ayodhya eine Moschee von einem Hindu Mob zerstört wurde. Und da haben wir wieder den aktuellen Bezug: Im Januar stand Ayodhya wieder in den Schlagzeilen, als Premierminister Modi den dort aufgebauten Riesen-Hindutempel Ram Mandir einweihte.


Am letzten Tag verzichteten wir auf eine lange Fahrt zum Strand im nördlicheren Stadtteil Joho, wo wir bestimmt in irgendwelchen mondänen Cocktailbars und Restaurants auf das glamoröse Schickimicki Klientel getroffen wären, wir begnügten uns am Montagmorgen (ja, da war deutlich mehr los auf den Straßen) auf einen Besuch der Sasoon-Docks im Süden. Obwohl wir spät dran waren, wurden dort immer noch Fische auf den Booten sortiert, auf Eis gelegt und auf Handkarren gestapelt. Seid froh, dass wir keine Geruchsbilder ins Netz stellen können.


Der letzte Gang galt dem Maidan Oval, bei dem die Architektur drumrum als Weltkulturerbe gilt, wir sind da aber wohl Kulturbanausen.


WIR bekamen gottseidank weder Schüsse aber leider auch keine Tänze auf offener Straße zu sehen. Irgendwie blieb die Stadt hinter unseren (vielleicht zu hohen?) Erwartungen zurück.


Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Maria (Donnerstag, 09 Mai 2024 21:54)

    Ich hab den Fisch geruch in der Nase ���